Haiku ist eine traditionelle japanische Gedichtform, die heute weltweit verbreitet ist. Das Haiku gilt als die kürzeste Gedichtform der Welt.

Zu den bedeutendsten Haiku-Dichtern zählen Matsuo Bashō (1644–1694), Yosa Buson (1716–1783), Kobayashi Issa (1763–1827) und Masaoka Shiki (1867–1902). Bashō erneuerte mit seinen Schülern die Haikai-Dichtung und ermöglichte ihr die Anerkennung als ernsthafte Literatur. Shiki gilt als Begründer des modernen Haiku. Er war es, der den Begriff Haiku prägte (gegenüber dem älteren Haikai oder Hokku).

Auf blattlosem Ast
Sitzt allein eine Krähe;
Herbstlicher Abend.

-Bashô

Das traditionelle japanische Haiku besteht meistens aus drei Wortgruppen von 5 – 7 – 5 Lauteinheiten (Moren). Unverzichtbarer Bestandteil von Haiku sind Konkretheit und der Bezug auf die Gegenwart. Vor allem traditionelle Haiku deuten mit dem Kigo eine Jahreszeit an. Als Wesensmerkmal gelten auch die nicht abgeschlossenen, offenen Texte, die sich erst im Erleben des Lesers vervollständigen. Im Text wird nicht alles gesagt, Gefühle werden nur selten benannt. Sie sollen sich erst durch die aufgeführten konkreten Dinge und den Zusammenhang erschließen.

Trotz formaler Strenge können Haiku enorme poetische Kräfte entfalten, die vor allem aus prägnanten Bildern und assoziativen Gedankensprüngen hervorgehen. Haiku lassen dem Leser viel Spielraum für eigene Auslegungen, Interpretationen und Assoziationen.

Die Beat Generation – Jack Kerouac, Allen Ginsberg und Gary Snyder – hat das Haiku später weiterentwickelt und das poetische Ideal in unsere Gegenwart übertragen.

Haiku und Zen

Haiku ist im weitesten Sinne auch Teil des Wabi-Sabi, ein japanisches ästhetisches Konzept der Wahrnehmung von Schönheit.

Der Begriff Wabi-Sabi wurde im 16. Jahrhundert von dem japanischen Tee-Meister und Zen-Mönch Sen no Rikyū eingeführt und ist eng mit dem Zen-Buddhismus verbunden.

Ursprünglich bedeutet Wabi sich elend, einsam und verloren zu fühlen. Dies wandelte sich zur Freude an der Herbheit des Einsam-Stillen. Aber erst in der Verbindung mit Sabi, alt sein, Patina zeigen, über Reife verfügen, entstand die eigentlich nicht übersetzbare Begriffseinheit, die den Maßstab der japanischen Kunstbewertung bildet.

Nicht die offenkundige Schönheit ist das Höchste, sondern die verhüllte, nicht der unmittelbare Glanz der Sonne, sondern der gebrochene des Mondes. Der bemooste Fels, das grasbewachsene Strohdach, die knorrige Kiefer, der leicht berostete Teekessel, das und Ähnliches sind die Symbole dieses Schönheitsideals. Es geht um die Hoheit, die sich in der Hülle des Unscheinbaren verbirgt, die herbe Schlichtheit, die dem Verstehenden doch alle Reize des Schönen offenbaren (Wilhelm Gundert).

In den Wäldern drüben,
tief unter der Last des Schnees,
ist letzte Nacht
ein Pflaumenzweig erblüht.

In diesem berühmten Haiku liest der Verständige das Sabi und Wabi.

Der Geist des Zen ist der Geist des Augenblicks. Es gilt mit eigenen Augen zu sehen, was vor deinen Augen liegt. Im Zen geht es nicht und die eine ganz andere Welt, sondern um diese Welt als ganz andere.


Literatur

Haiku: Japanische Gedichte

Zen und Haiku von Günter Wohlfart

Hundertundelf Haiku: Gedichte von Matsuo Bashô

Auf schmalen Pfaden durchs Hinterland von Matsuo Bashô

Haiku von Hans Jürgen Balmes (Herausgeber), Cécile Wick (Illustrator)